USA Südwesten

Zeltraupen, Zickzack und Zion-Zauber

Der Wecker reißt uns um 3:50 Uhr gnadenlos aus dem Schlaf. Und weil wir uns selbst nicht ganz über den Weg trauen, klingelt zehn Minuten später sicherheitshalber noch ein zweiter. Ausschlafen ist heute also keine Option.

Eine halbe Stunde später sitzen wir bereits im Auto auf dem Weg Richtung Zion Nationalpark – Ziel: der West Rim Trail.

Wir haben über „Red Rock Shuttle“ den Transfer zum Trailhead um 6:00 Uhr gebucht. Theoretisch perfekt geplant.

Praktisch stehen wir zwar überpünktlich am Parkplatz, aber es ist noch stockdunkel und wir tun uns schwer, den richtigen Treffpunkt zu finden.

Viel Zeit fürs Frühstück bleibt dann nicht – unser Müsli wird eher nebenbei gelöffelt, bevor wir uns in den Kleinbus zwängen.

Erster kurzer Halt ist am Lava Point Viewpoint. Leider ist es noch ziemlich bedeckt, aber immerhin ein atmosphärischer Start.

Von hier geht es weiter zum Campground, denn der eigentliche Zugang zum West Rim Trail ist aktuell gesperrt. Also müssen wir über den kurzen Barneys Trail zum eigentlichen Startpunkt des West Rim Trails laufen. Um 7:15 Uhr marschieren wir dort los – der Tag beginnt plangemäß.

Zunächst führt der Weg über ein Stück Straße, dann erreichen wir den eigentlichen Trailhead. Ein Schild warnt vor kürzlich gesichteten Bären – aber ganz ehrlich: bei der Anzahl an Bären-Warnungen der letzten Wochen zucken wir nur noch mit den Schultern.

Der erste Abschnitt: ruhiger Kiefernwald, mild, fast lieblich.

Immer wieder entdecken wir merkwürdig eingesponnene Sträucher mit dichten, weißen Nestern. Erst rätseln wir – Eichenprozessionsspinner? Nein. Eine kurze Recherche später wissen wir’s genau: Es handelt sich um Western Tent Caterpillars (Malacosoma californicum), also westliche Zeltraupen. Harmlos, aber mit eindrucksvollen Gespinsten – ganze Büsche wirken wie eingewickelt.

Zwischendurch lichtet sich der Wald, und der Blick öffnet sich in Richtung Westen – grandiose Ausblicke auf eine zerklüftete Landschaft aus tiefen Canyons und hellen Felsbändern. Ein schöner Kontrast zum sonst eher sanften Einstieg.

Nach drei Stunden wird’s Zeit für Frühstück Nummer zwei – wir finden ein schönes Plätzchen mit Aussicht und genießen unsere Sandwiches, Banane und Blaubeermuffin. Die Sonne zeigt sich sporadisch, der Wind bläst kräftig, und das Stück blauer Himmel ist mittlerweile gänzlich verschwunden. Aber hey – immerhin trocken!

Gegen 11:30 Uhr erreichen wir das Horse Pasture Plateau. Die Aussicht von hier ist fantastisch – trotz des diesigen Himmels. Die Fernsicht ist heute definitiv nicht auf unserer Seite, aber wir nehmen’s sportlich.

Der folgende Abstieg bringt uns neue Ausblicke Richtung Osten – theoretisch großartig, praktisch leider etwas getrübt vom diesigen Wetter.

Um 12:30 Uhr machen wir Mittagspause mit Ausblick. 17 Kilometer liegen hinter uns, 10 noch vor uns. Die werden aber anspruchsvoller, denn nun beginnt der steilere Teil.

Ab Cabin Spring verändert sich die Dynamik des Trails spürbar. Bis hierher waren wir fast allein unterwegs – jetzt begegnen wir zunehmend Trailrunnern, Tageswanderern und Selfiesticks. Das Geräuschniveau steigt, und wir müssen ab und zu ausweichen, um Platz zu machen.

Dennoch: Die Landschaft bleibt beeindruckend. Links öffnen sich steile Felsabbrüche, rechts ziehen sich die markanten Felsformationen des Zion Canyon in die Tiefe – ein Bild, das wir immer wieder mit der Kamera festhalten.

Ein letzter ruhiger Moment – dann erreichen wir den Scout Lookout, und die Ruhe ist vorbei. Der Abzweig zu Angel’s Landing zieht Scharen von Menschen an. Viele davon sind sichtlich überfordert, manche tragen Crocs oder schleppen sich keuchend die Serpentinen hinauf. Ein krasser Kontrast zum stillen, weiten Vormittag.

Die Switchbacks bis hinunter zum Grotto ziehen sich – landschaftlich eher uninspirierend, vor allem nach den Highlights weiter oben. Wir sind froh, dass wir nicht – wie zwischenzeitlich überlegt – nur von unten reingeschnuppert haben. Das Beste liegt hier eindeutig weiter oben.

Nach 8,5 Stunden, 27 Kilometern und mit ziemlich qualmenden Füßen erreichen wir um 15:45 Uhr die Shuttlehaltestelle. Zum Glück fährt prompt ein Bus – 20 Minuten später sind wir zurück am Visitor Center. Socken aus, Luft an die Füße, und noch eine kleine Shoppingrunde im Visitor Center.

Auf dem Rückweg fahren wir noch einmal durch den Mount Carmel Tunnel – und direkt danach öffnet sich vor uns wieder diese spektakuläre Felslandschaft, die Zion so einzigartig macht. Selbst bei bedecktem Himmel ist der Anblick beeindruckend. Zion bleibt einfach einer unserer Lieblingsparks … wenn er nur nicht so entsetzlich überlaufen wäre.


Um 18:00 Uhr sind wir zurück in Kanab in der Perry Lodge. Duschen, ausruhen, Daheimgebliebene mit Bildern versorgen – das volle Nach-Wanderungsprogramm.

Um 19:30 Uhr geht’s zum Sego, diesmal mit Reservierung.

Das Restaurantkonzept: kleine, kreative Gerichte zum Teilen. Und das funktioniert hervorragend. Wir teilen uns einen Salat mit Erdbeeren, Spinat und kandierten Pekannüssen, Hähnchenspieße mit Erdnusssauce, Utah-Forelle auf Risotto – und als Nachtisch eine Macadamia-Kreation mit Agaven-Eis.

Grandios. Nur die Margarita gehört jedem ganz allein 😉

Um 22:00 Uhr liegen wir wieder in unserem gemütlichen Hotelbett – völlig erledigt, aber auch völlig zufrieden.