Kanada

Many Glacier Area

Zum Frühstück sind wir heute mit zwei Freunden aus dem USA-Forum in der Many Glacier Area verabredet, wo auch unsere geplante Wandertour startet und so legen wir einen Kaltstart hin.

Nach einer schnellen Dusche und einem Kaffee im Stehen wandert das Gepäck in’s Auto und um 6:50 Uhr wandern wir hinterher und fahren bei strahlend blauem Himmel los — genauso muss das sein im Urlaub thumbsup

Von Babb aus brauchen wir nur knapp 30 Minuten, müssen kurz nach dem Parkeingang eine Vollbremsung für zwei Rehe einlegen, die todesmutig direkt vor uns über die Straße springen und sind dann pünktlich um 7:30 Uhr am Swiftcurrent Motor Inn, wo Heike und Hermann schon auf uns warten.

Ursprünglich wollten wir heute zusammen den Grinnell Glacier Trail laufen, aber wir haben lange zwischen diesem und dem Iceberg Lake Trail hin und her überlegt und uns letztlich für den Iceberg Lake entschieden — nicht zuletzt, weil es dorthin eine geführte Ranger-Tour gibt und wir ja bekennende Fans solcher Aktivitäten sind.

So bleibt heute leider nur die Zeit zu einem gemeinsamen Frühstück, bevor sich unsere Wege wieder trennen. Aber auch dabei haben wir genügend Gelegenheit, uns bei einem netten Plausch über den Urlaub auszutauschen. Die beiden sind schon einen Tag länger in der Many Glacier Area und haben noch den ein oder anderen Tipp für uns — mal schauen, ob die Zeit nach der heutigen langen Wanderung dafür noch reicht…


Um 8:30 Uhr ist direkt vor der Lodge Treffpunkt zum Ranger Trail und wir verabschieden uns von Heike und Hermann.

Stattdessen machen wir uns mit Bob bekannt — dem Ranger, mit dem wir heute zum Iceberg Lake wandern werden. Und so nach und nach trudelt auch eine gut gemischte Truppe aus Wanderern ein, die das gleiche Ziel haben. Insgesamt werden es 15 Leute aus der Schweiz, aus Holland, China und Kalifornien — eigentlich recht überschaubar für so eine Tour.

Das erste Stück des Trails ist ein bisschen steil, aber obwohl ich mit steil bergauf sonst immer so meine Probleme habe, geht es heute wie von selbst, was wahrscheinlich vor allem an Bob liegt. Er legt ein sehr entspanntes Tempo vor und bleibt immer wieder stehen, um uns über den Park und seine Geschichte, die Geologie und die Flora und Fauna zu erzählen.

Wir erfahren den Namen jeder einzelnen Pflanze, die hier blüht und welche Pflanzen bzw. Beeren von welchen Tieren besonders gemocht werden. Und da gerade unheimlich viele verschiedene Blumen am Blühen sind, ist das zum einen ein wundervolles Ambiente und zum anderen eine äußerst lehrreiche Wanderung.

Außerdem erzählt Bob viel über die Gletscher im Park — insbesondere über ihren massiven Rückgang in den letzten Jahren. Es ist nur noch ein Bruchteil der ehemaligen Gletscherfläche vorhanden: Seit 1850 ist die Anzahl der Gletscher im Nationalpark von etwa 150 auf mittlerweile nur noch 25 geschrumpft. Und wenn die Entwicklung in diesem Maße weitergeht, wird es bis zum Jahre 2030 im Glacier Park keinen einzigen Gletscher mehr geben.

Und da wir uns hier im Bärengebiet bewegen und rund um diesen Trail sehr oft Bären zu sehen sind, zeigt Bob uns natürlich auch die typischen Anzeichen dafür.

So kommen wir beispielsweise an einer ziemlich aufgewühlten Stelle vorbei. In Deutschland würde man Wildschweine vermuten, aber Bob erklärt uns, dass dies ein typisches Anzeichen von Grizzly-Aktivität sei. Hier wachsen viele Glacier Lilies, deren Knollen die Bären sehr mögen und nach denen sie immer wieder den Boden aufwühlen.

Später kommen wir an einem Baum mit Kratzspuren vorbei, die bis sehr weit nach oben reichen. Bob meint, die müssten von einem Schwarzbären sein, denn Grizzlies würden normalerweise nicht auf Bäume klettern.

Direkt im Anschluss korrigiert er sich jedoch quasi selbst, indem er uns erzählt, aus eben diesem Grund hätten die Ranger den Touristen früher geraten, bei einem Grizzly-Angriff auf einen Baum zu klettern. Heutzutage sei man von diesen Ratschlägen aber wieder abgekommen, da die Grizzlies weder zu den Ranger-Veranstaltungen kämen, wo eben das erklärt wird, noch würden sie die Park-Broschüren lesen und könnten somit also gar nicht wissen, dass sie nicht klettern können…

Dieser Baum mit den Kratzspuren ist z.B. so ein tolles kleines Detail am Rande, was wir selbst zu 100 Prozent übersehen hätten. Wir wären an diesem Baum sicher vorbeigelaufen und hätten diese Spuren gar nicht wahrgenommen — einer der Gründe, warum wir immer wieder gerne an solchen Ranger Touren teilnehmen.

Gegen 10:45 Uhr legen wir an den Ptarmigan Falls eine kurze Snackpause ein. Leider ist der Blick auf die Falls aber sehr eingeschränkt.

Auf dem weiteren Weg zum Iceberg Lake kommen wir an wunderschön blühenden Wiesen vorbei, auf denen weiße Blumen dominieren, die wir hier zum ersten Mal in unserem Leben sehen: das sogenannte Bärengras. Bob erklärt uns, das dieser Name in doppeltem Sinne falsch sei, denn diese Blumen würden weder von Bären gefressen, noch handle es sich dabei um ein Gras — aber wir finden sie einfach wunderschön.

Nach vier Stunden Wanderung erreichen wir schließlich den Iceberg Lake. Die Anstrengung hat sich gelohnt — wir geniessen den Blick auf den türkisfarbenen Gletschersee und gönnen uns einen Moment der Ruhe und absoluten Stille in dieser wildromantischen Landschaft.

Wir ziehen die Wanderschuhe aus und halten unsere müffelnden Füße in’s Wasser, was unendlich gut tut. Hoffentlich trinkt nur danach niemand aus dem See wink

Gegen 13:00 Uhr machen wir uns wieder auf den Rückweg, nachdem andere Wanderer von Bärensichtungen am Trail berichten. Das muss ganz kurz hinter uns gewesen sein — wir waren da wohl einfach nur 10 Minuten zu früh unterwegs. Na, vielleicht treffen wir den Grizzly ja talwärts…

Die Gruppe löst sich für den Rückweg auf, da einige Teilnehmer noch länger oben sitzen bleiben wollen als andere und so stapfen wir zu zweit wieder zurück. Mit dem Bär klappt es leider auch diesmal nicht — dafür treffen wir ein Reh am Wegrand…

Der Rückweg geht auch deutlich schneller — bereits gegen 15:15 Uhr kommen wir wieder am Swiftcurrent Motor Inn an.


Wir genehmigen uns ein Eis aus dem Souvenir Shop, was extrem lecker ist und gehen dann aufgrund des Tipps von Heike und Hermann von heute Morgen noch zum Fishercap Lake. Die beiden haben dort gestern Abend ziemlich lange einige Elche beobachtet und auch von anderen Besuchern hören wir, dass an diesem See ganz oft Elche zu sehen sind.

Der Weg dahin ist nur ganz kurz und als wir dort ankommen, haben sich auch jede Menge Fotografen positioniert und ihre Mega-Objektive in Stellung gebracht. Eigentlich ein gutes Anzeichen für Tiersichtungen, oder? Wir suchen uns ein gemütliches Plätzchen und warten fast eine halbe Stunde, aber leider bemerken die Elche diese Anzeichen nicht und wir warten umsonst sad

Viel mehr Zeit haben wir aber auch nicht, denn es wird langsam Zeit aufzubrechen — schließlich müssen wir ja heute noch nach Kanada zurück.

Es folgt ein zweites Eis am Parkplatz, weil das erste so lecker war, und als wir gerade loswollen, treffen wir doch zufällig Heike und Hermann nochmal am Parkplatz. Was für eine Überraschung! Wir plauschen noch einmal kurz über unseren Tag und dann fahren wir los.

Nach nur fünf Minuten geraten wir in einen „Grizzly- Stau“. Ein Ranger-Fahrzeug steht mit Blinklicht am Straßenrand und eine riesige Menschenansammlung hat Ferngläser und riesige Objektive auf den gegenüberliegenden Hang gerichtet. Wir halten natürlich auch kurz an um zu schauen, aber der Bär ist nur als ganz winziger Punkt zu erkennen. Selbst wenn man weiß, dass das ein Grizzly ist und all seine Fantasie aufbringt, bleibt es nur ein klitzekleiner brauner Fleck im grünen Gras und lohnt kein Foto…

Wir fahren also weiter, machen in Babb den Tank nochmal randvoll und müssen nur wenig später wegen ein paar Kühen mächtig bremsen. Die weiden hier nicht auf der Alm sondern völlig ohne Zaun am Chief Mountain International Highway wink Da muss man sich echt wundern, dass bei Tempolimit 60 Meilen nicht mehr passiert…


Der Grenzübergang nach Kanada ist dann völlig unspektakulär. Bei einer netten Plauderei mit der Beamten über Waffen und Bärenspray muss ich nicht mal meine Sonnenbrille abnehmen und in zwei Minuten sind wir durch.

Der Glacier National Park geht nahtlos über in den Waterton Lakes Park — gemeinsam bilden die beiden den International Peace Park.

Gegen 19:00 Uhr kommen wir schließlich im Village an. Für das Prince of Wales Hotel, was uns bei der Ankunft schon entgegen gestrahlt hat, reicht die Urlaubskasse leider nicht — stattdessen steigen wir im Bear Mountain Motel ab. Ein recht einfaches Motel, was leider weder Kühlschrank, noch Kaffeemaschine im Zimmer bietet, dafür aber recht hellhörig ist — naja für eine Nacht wird es gehen, alle anderen Hotels hier in Waterton waren einfach unbezahlbar für uns.

Nachdem wir eingecheckt sind und das Nötigste ins Zimmer geräumt haben, machen wir auf der Suche nach einem Restaurant fürs Abendessen noch einen Spaziergang durch’s Village. Wir landen im Lakeside Chophouse, wo es für Andreas einen Burger und für mich Seafood Linguine gibt.

Das Essen ist sehr lecker und der Kellner sehr gesprächig. Er macht gerade einen Deutschkurs und wir unterhalten uns nett in einem lustigen Sprachmix. Ein sehr angenehmer Abend, der von einem dekadenten Chocolate Cake als Nachtisch gekrönt wird.

Um 21:30 Uhr sind wir im Motel zurück. Wir bringen noch bissle unseren Papierkram in Ordnung und dann ist schon wieder ein Urlaubstag vorbei.